Pro und / oder Contra
- Was ist ein homöopathisches Komplexmittel ?
- Ist das noch klassische Homöopathie ?
- Können diese Mittel helfen?
Beginnen wir mit einer kleinen Geschichte – nicht ganz frisch aber wahr:
An einem gewöhnlichen Arbeitstag nahm ich einen kurzen Umweg über eine Apotheke. Der Grund waren plötzliche leichte grippeähnliche Symptome, denen ich möglichst schnell begegnen wollte, um Schlimmeres zu vermeiden.
Die freundliche junge Frau tat an diesem Morgen etwas für mich bis dato recht Ungewöhnliches. Sie gab mir nicht einfach eine Packung XY aus der Chemiefabrik ABC-AG, sondern sie fragte mich zunächst, ob ich eventuell etwas Homöopathisches bevorzugen würde.
Zum damaligen Zeitpunkt stellte mich die nette Dame vor eine schwierige Frage. Homöopathie war für mich schließlich noch ein Fremdwort – buchstabieren ja – verstehen nein.
Irgendetwas das hilft – manchmal aber doch nicht.
Zuckerkügelchen die nicht schaden, dafür aber helfen.
Die Dame hinter dem Tresen konnte meine Ratlosigkeit scheinbar fühlen und traf für mich wohl schon eine Vorauswahl. Ich bekam etwas Homöopathisches, ein paar Hinweise zur Medikation, noch einen Satz zu Vertrauen, Natürlichkeit und Immunsystem. Dann war ich schon wieder draussen.
Am Arbeitsplatz angekommen sah ich mir mein Heilmittel dann mal näher an. Zunächst war ich erstaunt keine Kügelchen bekommen zu haben. Es waren Tropfen – eine Alkohollösung, von der ich mir mal einen Tee- oder Esslöffel genehmigen sollte.
Vor dem Genuss wollte ich jedoch noch wissen, was ich mir denn da einverleibe. Jetzt bereute ich, in der Schule Französisch statt Latein gewählt zu haben. Die Inhaltsstoffe waren für mich eine Ansammlung an Begriffen, die ich niemals zuvor gehört hatte: Aconitum, Nux vomica, Gelsemium, Kalium phosphoricum, Eupatorium perfoliatum, und und und… Gründlich wie ich bin hatte ich mich nun informiert, nahm über den Tag verteilt ein paar Löffel zu mir und war am nächsten Tag „geheilt“.
Homöopathie ist toll – oder hätte es der Chemiecocktail auch geschafft? Oder wie mein Arzt mal sagte: Eine Grippe dauert mit Medikamenten 2 Wochen – ohne Medikamente 14 Tage.
Heute bin ich mir sicher: Ich würde mich definitiv und ohne Zögern für Homöopathie entscheiden, das mir angebotene Komplexmittel jedoch ablehnen, da dies nicht meinem Weg der klassischen Homöopathie entspricht.
Warum ?
Dazu müssen wir zunächst klären, was eigentlich ein „homöopathisches“ Komplexmittel ist?
Homöopathische Komplexmittel sind prinzipiell Akutmittel, symptomatische Mittel, die nicht die ursächlichen Faktoren regulieren, sondern lediglich die akuten Symptome behandeln.
Grundsätzlich stellen sie eine Mischung mehrerer homöopathischer Mittel dar, die zumeist in Alkohol gelöst verabreicht werden. Die Mittel kommen durch ihre gemeinsame thematische Schnittmenge in einen Topf. Beispielsweise werden Mittel miteinander vereint, die sämtlich große oder wichtige Grippemittel in der klassischen Homöopathie darstellen.
Der vermeintliche Vorteil liegt in einer statistischen Trefferquote, frei nach dem Motto: Wenn ich viele gut zur Thematik passende Mittel gleichzeitig verabreiche, dann wird schon eines davon funktionieren.
Was ist hier der Vorteil für den Patienten?
Er bekommt in Minutenschnelle ein „helfendes“ Mittel zur Verfügung gestellt, muss sich über die wenigen Symptome hinaus keine weiteren Gedanken machen und fühlt sich schnell geholfen.
Was ist hier der Vorteil für den Behandelnden, sei es den Apotheker, den Arzt oder den Heilpraktiker?
Er hat keinerlei Arbeit mit dem Patienten. Die Abfrage der Symptome ist in einer Minute abgehakt. Die Wahl des Mittels ist bei Weitem nicht so aufwändig, da die Anzahl an Komplexmittel recht überschaubar ist oder anders ausgedrückt: Man hat die Wahl zwischen einem Grippemittel und einem Grippemittel.
Wie an erster Stelle auf meiner Website bereits erwähnt wird, ist die Klassische Homöopathie die Konzentration auf das Wesentliche unter ganzheitlicher Betrachtung der inneren und äußeren Umstände. In anderen Worten: der Patient wird vollständig durchleuchtet, in all seinen Dimensionen. Einmal dreidimensional, also körperlich, innen wie aussen mit allen Symptomen, sichtbar wie fühlbar. Eine weitere Dimension ist dann der Geist, Seele und oder Psyche. Wie fühlt sich der Patient mental. Die nächste Dimension sind dann die äußeren Umstände, z.B. familiär oder beruflich, seine Lebensumstände. Und zuletzt und nicht zu unterschätzen ist die Dimension der Zeit; soll heißen, dass die Geschichte des Patienten und seiner Familie ebenso Teil der Betrachtung ist.
Diese Betrachtung, oder besser Anamnese bedarf der gründlichen Vorbereitung seitens des Patienten als auch die zuverlässige Durchführung des Heilpraktikers und benötigt dementsprechend auch Zeit.
Das Ergebnis ist bei der klassischen Homöopathie dann ein Mittel für den Patienten. Dieses Mittel muss nicht das einzige sein, das er während des Behandlungsverlaufs erhält. Bisweilen benötigt man sogenannte Dooropener / Türöffner, die dem eigentlichen Mittel erst den Weg öffnen müssen. Ab und an ist das erste Mittel auch noch nicht ähnlich genug, und ein zweites oder drittes Mittel wird ins Spiel gebracht. Diese Vorgehensweise ist jedoch kein einfaches Ausprobieren, sondern eine fundierte Analyse von Mittelgabe und Reaktion.
Nun zur Frage, ob homöopathische Komplexmittel noch zur „echten“ Homöopathie gehören.
Vergleichen wir kurz die Vorgehensweise:
Komplexmittel | Klassische Homöopathie |
Patient klagt über Beschwerden | Patient klagt über Beschwerden |
eventuell ein oder zwei Nachfragen | gründliche Anamnese in sämtlichen notwendigen Dimensionen |
ein Komplexmittel mit vielen vermischten „homöopathischen“ Einzelmitteln und verschiedenen Potenzen wird verschrieben | ein abgestimmtes homöopathisches Mittel in passender Potenz wird verschrieben |
begleitende Indikation während des Krankheitsverlaufs |
Antwort: Nein – homöopathische Komplexmittel haben nichts mit der klassischen Homöopathie gemein.
Die Individualität des Patienten bleibt bei Komplexmittel vollständig auf der Strecke. Hier wird die annähernde Allgemeingültigkeit von Arnika bei blauen Flecken fast auf alle anderen Beschwerden ausgeweitet verstärkt um die Nutzung statistischer Wahrscheinlichkeiten durch gleichzeitiger Gabe mehrerer gut möglicher Mittel.
Können homöopathische Komplexmittel helfen ?
Antwort: Ja
Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass ein verabreichtes Komplexmittel wirkt. Sollten Sie also diese positive Erfahrung gemacht haben, dann ist dies für mich Beweis genug.
Die Homöopathie ist eine Erfahrungsmedizin und hat bei Ihnen folglich gezeigt, dass eines oder mehrere der enthaltenen Mittel in einer bestimmten Potenz für Sie passend war. Sie werden jedoch auf diesem Wege niemals erfahren, welches genau. Und beim nächsten Effekt kann das gleiche Komplexmittel auch versagen, da Ihr Zustand in Summe nicht identisch war.
Eine neue Frage könnte nun entstehen:
Muss ich für jede Grippe eine vollständige stundenlange Anamnese über mich ergehen lassen, nur um ein wenig Schnupfen, Schwindel und eine leicht erhöhte Temperatur zu bekämpfen?
Antwort: Nein
Wenn Sie den Heilpraktiker Ihres Vertrauens gefunden haben, so gehen die Informationen der sehr ausführlichen Erstanamnese nicht verloren. Es ist also bereits ein mehr oder minder vollständiges Bild von Ihnen vorhanden, dass lediglich um die aktuelle Situation ergänzt werden muss. Je besser Sie sich im Krankheitsfall selbst beobachten können, desto zügiger und passender kann dann eine Mittelwahl erfolgen.
Fazit:
Komplexmittel können helfen – mit klassischer Homöopathie haben diese nichts mehr zu tun.
Nach der Lektüre dieses Artikels wissen Sie bereits deutlich mehr als ich seinerzeit in der Apotheke.
Sie können heute Ihre Entscheidung sicherlich leichter fallen. Eventuell muss man Sie aber auch nicht mehr vor die Wahl stellen.